Der Elternunterhalt
Elternunterhalt stellt die
rechtliche Verpflichtung der Kinder dar, Unterhaltszahlungen für den
Lebensbedarf der Eltern zu leisten. Die Rechtsgrundlage hierfür findet
sich in den §§ 1601ff. BGB. Grundsätzlich sind Kinder ihren Eltern
gegenüber auch zum Unterhalt verpflichtet. Der Bedarf wird beim
Elternunterhalt jedoch nicht nach am Einkommen oder dem Vermögen des
Kindes bestimmt. Lebt der Elternteil in einem eigenen Hausstand,
richtet sich der Bedarf nach dem Existenzminimum. Dies wird in aller
Regel durch den Anspruch auf Grundsicherung gewährleistet.
Die Frage nach dem Elternunterhalt
stellt sich häufig aber, wenn ein Elternteil oder beide Eltern in
einem Alters- oder Pflegeheim untergebracht sind und die eigene Rente
der Eltern und die Pflegeversicherung nicht ausreicht, um die
Pflegekosten oder Heimkosten abzudecken. Der Bedarf ist dann höher,
als das Existenzminimum.
Nach dem Einsatz des eigenen
Einkommens und des eigenen Vermögens eines Elternteils sowie den
Zahlungen aus der Pflegeversicherung, die je nach der gewährten
Pflegestufe einen Teil der Aufwendungen abdecken, besteht oftmals noch
immer eine finanzielle Lücke, die geschlossen werden muss. Zudem ist
neben dem heranzuziehenden Vermögen des unterhaltsbedürftigen
Elternteils auch der primär unterhaltspflichtige Ehegatte
heranzuziehen. Ist dieser nicht leistungsfähig, ebenfalls bedürftig
oder schon verstorben, können erst die Kinder des
unterhaltsbedürftigen Elternteils herangezogen werden.
In aller Regel machen die Eltern
gegen ihre Kinder den Unterhaltsanspruch nicht geltend, sondern
beantragen Unterstützung bei den Trägern der Sozialhilfe, die dann
zunächst einspringen. Die Sozialhilfeträger ihrerseits,
insbesondere die Sozialämter, wenden sich zunächst an den anderen
Elternteil oder Ehegatten des Unterhaltsbedürftigen als primären
Unterhaltsschuldner. Hinzukommt, dass Schenkungen, die
in den letzten zehn Jahren von den Eltern an die Kinder oder andere
nahe Verwandet vorgenommen
worden sind, vom Sozialamt wegen Bedürftigkeit gem. § 528 BGB
zurückgefordert werden können.
Wenn der Ehegatte des
unterhaltsbedürftigen Elternteils ebenfalls nicht leistungsfähig ist
oder schon verstorben ist, werden die Kinder für den Unterhalt
herangezogen. Um deren Einkommensverhältnisse festzustellen und
festzustellen, ob von den eigenen Kindern Elternunterhalt geschuldet
wird, müssen die Einkommensverhältnisse geklärt werden und die
Sozialämter fordern die Kinder zur Auskunft über ihre Einkommens und
Vermögensverhältnisse auf.
Allerdings gilt, dass der
unterhaltsberechtigte Elternteil in der Beweislast ist für die
Angemessenheit der Heim- und Pflegekosten und muss diese nachweisen,
wenn ein zum Unterhalt verpflichtetes Kind die Angemessenheit
bestreitet. Gleiches gilt auch für den Sozialhilfeträger. Dieser muss
gegenüber den Kindern die Angemessenheit der Bedarfskosten nachweisen.
Der Übergang des Unterhaltsanspruchs
auf den Sozialhilfeträger
Der Unterhaltsanspruch steht zwar
grundsätzlich den Eltern zu. Da die Lücke bei den Pflegekosten
oftmals durch die Vorleistung der Sozialämter geschlossen wird und die
Eltern häufig einen Unterhaltsanspruch gegenüber den eigenen Kindern
haben, geht dieser Unterhaltsanspruch der Eltern gem. § 94 SGB XII auf
das Sozialamt über, so weit von dort Leistungen erbracht werden. Das
Sozialamt kann dann den Unterhaltsanspruch der Eltern im eigenen Namen
geltend machen.
Der Elternunterhaltsanspruch, der
durch das Sozialamt geltend gemacht werden kann, kann aber nicht durch einen
Verwaltungsakt festgelegt werden, sondern muss vor dem Familiengericht
eingeklagt werden.
Um den Elternunterhaltsanspruch
berechnen zu können, schreibt das Sozialamt
regelmäßig die Kinder an und verlangt Auskunft über deren
Einkommensverhältnisse. Gegenüber dem Sozialamt müssen dann die
Einkommens- und Vermögensverhältnissen gem. § 1605 BGB offen gelegt
werden und es muss
Auskunft nebst Belegen erteilt
werden.
Die Berechnung des
Elternunterhalts
Beim Elternunterhalt gilt auch,
dass das
unterhaltsrelevante Nettoeinkommen
zugrunde zu legen ist, wie auch bei den anderen Unterhaltsarten. Hier gilt allerdings die Besonderheit, dass vom
Einkommen die monatlichen Fahrtkosten zu Besuchen der Eltern im
Pflegeheim einkommensmindernd geltend gemacht werden können.
Darüber hinaus dürfen 5% des
Gesamtbruttoeinkommens und zusätzlich 20% aus den die
Beitragsbemessungsgrenze (5.950,00 ¤ für das Jahr 2013)
übersteigenden, nicht sozialversicherungspflichtigen Einkünften für
eine sekundäre Altersvorsorge verwenden und in Abzug bringen. Bei
Selbstständigen gilt, dass diese bis zu 25% ihrer Einkünfte für die
Altersvorsorge verwenden dürfen und dies in Abzug zu bringen ist.
Weiterhin gibt es eine Besonderheit
beim
Wohnvorteil zu beachten.
Wohingegen bei anderen Unterhaltsansprüchen der objektive Wert der
bewohnten Immobilie zu berücksichtigen ist, also das, was eine
vergleichbare Immobilie üblicherweise an Mieteinnahmen erzielen würde,
wird der Wohnwert beim Elternunterhalt danach bestimmt, was als
angemessener Wohnwert anzusehen ist (BGH Urteil vom 19.03.2003, AZ:
XII ZR 123/00). Der Wohnwert bestimmt sich somit danach, was das
unterhaltspflichtige Kind eigentlich an Miete für sich gemessen an
seinen Lebens- und Einkommensverhältnissen aufgewendet hätte.
Bei der Berechnung des
Unterhaltsanspruches, den die Eltern gegenüber den eigenen Kindern
haben, gilt es verschiedene Besonderheiten zu beachten, die sonst bei
der Unterhaltsberechnung nicht zur Anwendung kommen. Grundsätzlich
gilt jedoch auch hier, dass neben der Bedürftigkeit eines Elternteils
auch die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes vorhanden
sein muss. Bei der Leistungsfähigkeit gelten erhöhte
Selbstbehaltssätze,
anders als bei sonstigen Unterhaltsansprüchen. So gelten für die
eigenen Kinder Selbstbehaltssätze von 1.800,00 ¤ und falls diese
verheiratet sind ein weiterer Selbstbehalt von zusätzlichen 1.440,00 ¤
für den weiteren Ehegatten. Insbesondere kann hier
von besonderer Bedeutung sein, wenn das unterhaltspflichtige Kind
selbst verheiratet ist und seinerseits wiederum auch noch Ehegatten
oder Kindern unterhaltspflichtig ist.
Konkrete Berechnung des
Elternunterhalts:
Die Pflegekosten des Elternteils
betragen 3.500,00 ¤. Diese werden abgedeckt durch eine eigene Rente
von 900,00 ¤ und 1.550,00 ¤ aus der Pflegeversicherung. Es entsteht
ein ungedeckter Bedarf von 1.050,00 ¤.
|
Pflegekosten |
3.500,00 ¤ |
|
abgedeckt durch Rente |
-900,00 ¤ |
|
Leistungen aus
Pflegeversicherung (Pflegestufe III) |
-1.550,00 ¤ |
|
ungedeckter Bedarf |
1.050,00 ¤ |
Es ist nun zu prüfen, ob dieser
Bedarf abgedeckt werden kann durch einen Elternunterhaltsanspruch
gegen das eigene Kind.
Der Sohn ist unverheiratet,
verdient 3.500,00 ¤ netto, hat einen monatlichen
Wohnvorteil von 450,00 ¤, berufsbedingte Aufwendungen
von 250,00 ¤ und bedient eine private Altersvorsorge von monatlich
120,00 ¤, die einkommensmindernd zu berücksichtigen ist.
Bei einem
Selbstbehalt
von 1.800,00 ¤ ergibt sich folgende Berechnung:
|
Nettoeinkommen des Kindes |
3.500,00 ¤ |
|
Wohnvorteil |
450,00 ¤ |
|
berufsbedingte Aufwendungen |
-250,00 ¤ |
|
private Altervorsorge |
-120,00 ¤ |
|
bereinigtes Nettoeinkommen |
3.580,00 ¤ |
|
abzüglich Selbstbehalt |
-1.800,00 ¤ |
|
verbleibend |
1.780,00 ¤ |
|
davon 50% |
890,00
¤ |
Da von dem bereinigten Einkommen
abzüglich des Selbstbehaltes noch immer 50% dem unterhaltspflichtigen
Kind bleiben müssen, ergibt sich ein maximaler
Elternunterhaltsanspruch von 890,00 ¤. Es verbleibt ein weiterhin ungedeckter Bedarf von
160,00 ¤.
Was im Detail für die Ermittlung des bereinigten
unterhaltsrelevanten Nettoeinkommens
zu berücksichtigen ist,
hängt vom Einzelfall ab und von den jeweiligen Einkommens- und
Vermögensverhältnissen.
Etwas anderes kann sich außerdem
ergeben, wenn das unterhaltspflichtige Kind verheiratet ist und der
Ehegatte eigenes Einkommen hat. In diesem Fall kann das Einkommen des
anderen Ehegatten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des
unterhaltspflichtigen Kindes haben und es wirkt sich der erhöhte
Selbstbehalt zusätzlich aus.
Bei den gleichen
Einkommensverhältnissen wie zuvor, allerdings mit dem Unterschied,
dass die Ehefrau des eigenen unterhaltspflichtigen Kindes ein
Nettoeinkommen von 1.300,00 ¤ hat, berufsbedingte Aufwendungen von
120,00 ¤ und eine private Altersvorsorge von 100,00 ¤ ergibt sich
folgende Berechnung:
|
Nettoeinkommen des Kindes |
3.500,00 ¤ |
|
Wohnvorteil |
450,00 ¤ |
|
berufsbedingte Aufwendungen |
-250,00 ¤ |
|
private Altervorsorge |
-120,00 ¤ |
|
bereinigtes Nettoeinkommen
des Kindes |
3.580,00 ¤ |
|
zzgl. Nettoeinkommen des
Ehegatten |
1.300,00 ¤ |
|
berufsbedingte Aufwendungen des
Ehegatten |
-120,00 ¤ |
|
private Altervorsorge des
Ehegatten |
-100,00 ¤ |
|
bereinigtes Nettoeinkommen
des Ehegatten |
1.080,00 ¤ |
|
Gesamteinkommen beider
Eheleute |
4.660,00 ¤ |
|
abzüglich Selbstbehalt |
-3.240,00 ¤ |
|
Zwischensumme |
1.420,00 ¤ |
|
abzüglich 10% Haushaltsersparnis |
-142,00 ¤ |
|
verbleibend |
1.278,00 ¤ |
|
davon 50% |
639,00 ¤ |
|
zzgl. Selbstbehalt |
3.240,00 ¤ |
|
Familienselbstbehalt
insgesamt |
3.879,00 ¤ |
Der Selbstbehalt wird in diesem
Fall auf 3.240,00 ¤ erhöht. Der nicht unterhaltspflichtige Ehegatte
erhöht den Selbstbehalt um weitere 1.440,00 ¤. Weiterhin führt das
Zusammenleben zu einer 10%igen Haushaltsersparnis, die berücksichtigt
werden muss.
Der Anteil des
unterhaltspflichtigen Ehegatten am Gesamteinkommen von 4.660,00 ¤
beider Eheleute beträgt in diesem Beispiel ca. 76,8% (=3.580,00 ¤ zu
1.080,00 ¤).
Der Familienselbstbehalt beläuft
sich auf insgesamt 3.879,00 ¤, welchen die Eheleute zum Leben als
eigenen Bedarf benötigen. Hieran muss sich der unterhaltspflichtige
Ehegatte im Verhältnis seines Einkommens zum Gesamteinkommen nämlich
mit 76,8% beteiligten. Das bedeutet, dass von den 3.879,00 ¤, welche
die Eheleute als Familienselbstbehalt benötigen, der
unterhaltspflichtige Ehegatte 76,8% tragen muss, oder 2.979,07 ¤. Da
der unterhaltspflichtige Ehegatte ein bereinigtes Nettoeinkommen von
3.580,00 ¤ hat, verbleiben davon 600,93 ¤ von seinem
Einkommen, die für den Unterhaltsanspruch des Elternteils zur
Verfügung stehen. Darüber hinaus besteht kein Unterhaltsanspruch. In
diesem Beispiel bleibt damit ein noch größerer ungedeckter Bedarf
bestehen, den das Sozialamt abdecken muss.
Die Heranziehung des
Vermögens und das Schonvermögen
Eine gesteigerte
Erwerbsobliegenheit
gegenüber den Eltern des unterhaltspflichtigen Kindes besteht beim
Elternunterhalt anders als beim Kindesunterhalt nicht. Soweit das
Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes nicht ausreicht, um
den Bedarf der Eltern sicher zu stellen, kann deren Vermögen aber
zur Bedarfsdeckung herangezogen werden. Allerdings hat der BGH den
Zugriff auf das Vermögen des unterhaltspflichtigen Kindes beschränkt.
Es besteht ein so genanntes Schonvermögen. Das Vermögen von Kindern in
Höhe von 5% des aktuellen Bruttomonatseinkommens hochgerechnet auf die
bisherigen Berufsjahre zuzüglich 4% Zinsen pro Jahr für diese Zeit, ist als Schonvermögen anzusehen
(BGH Beschluss vom 17.08.2013, AZ: XII ZB 269/12). Das bedeutet, dass
einem Arbeitnehmer mit 25 Jahren beruflicher Tätigkeit und einem
Bruttojahreseinkommen von 50.000,00 ¤ ein Schonvermögen von ca.
107.109,00 ¤ für den Zeitraum von 25 Jahren zustehen, die nicht zum
Unterhalt der Eltern herangezogen werden dürfen.
Auch eine angemessene Immobilie
kann nicht für Unterhaltszahlungen herangezogen werden und deren
Verwertung verlangt werden. Beim selbst bewohnten Eigenheim handelt es
sich um zusätzliches Schonvermögen (BGH Beschluss vom 17.08.2013, AZ:
XII ZB 269/12)
Verwirkung
des Elternunterhalt
Hinzukommt, dass die
Unterhaltspflicht auch entfallen kann, wenn sie grob unbillig
wäre. Dies hängt immer vom Einzelfall ab. Insbesondere kommt dies in
Betracht, wenn die Eltern gegenüber den eigenen Kindern ihre
Unterhaltspflicht gröblich vernachlässigt haben oder sonst
schwerwiegende Verfehlungen begangen haben. Dann gilt es im Detail zu
prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Verwirkung gem. § 1611 BGB
vorliegen.
Mehrere
Kinder
Haben die unterhaltsbedürftigen
Eltern mehrere Kinder mit Einkommen, so haften die Kinder dabei
dann gem. § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig für den Elternunterhalt im Verhältnis ihrer jeweiligen
Einkommensverhältnisse.